Umsatzsteuerfreiheit medizinisch indizierter „Schönheitsoperationen“

Der Bundesfinanzhof hat über interessante Fragen im Bereich der ästhetischen Chirurgie entschieden.
Eine Fachklinik, die im Wesentlichen plastisch chirurgische Eingriffe durchführt, hatte vor dem Finanzgericht geklagt, weil das Finanzamt verschiedene Operationen nicht als gemäß § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerbefreite Heileingriffe – in Abgrenzung zu nicht steuerbefreiten rein ästhetischen Operationen – anerkannt hatte.
Laut Finanzamt und dem Finanzgericht (FG) als Vorinstanz setze die Steuerfreiheit voraus, dass die Diagnose einer Gesundheitsstörung vorliege, ohne die keine Heilbehandlung gegeben sei. Hierzu genügten in Fällen plastischer Operationen nicht allgemeine Feststellungen zu Gesundheitsstörungen; vielmehr müsse in jedem einzelnen Fall konkret eine solche Diagnose vorliegen. Hinzu müsse kommen, dass das Hauptziel der Maßnahme die Beseitigung oder Behandlung der Gesundheitsstörung sei. Liege daneben zumindest gleichgewichtig der Zweck in einer rein ästhetischen Maßnahme, reiche dies für die Annahme einer Heilbehandlung und somit der Steuerfreiheit nicht aus.
Dieser Nachweis einer medizinischen Indikation könne nicht durch die Begutachtung von anonymisierten Patientenunterlagen erbracht werden. Vielmehr müsse der Steuerpflichtige für Einverständniserklärungen der betroffenen Patienten sorgen, um so im Rahmen der Begutachtung u.a. Rückfragen bei den Patienten zu ermöglichen, so dass eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung gewährleistet wird.
Der BFH hob das Urteil des FG auf.
Zunächst fasste das Gericht die Rechtsprechung des erkennenden Senats sowie des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zusammen: Demnach seien die Anforderungen für eine steuerfreie Heilbehandlung im Bereich der sog. Schönheitsoperationen dahingehend präzisiert worden, dass ästhetische Operationen und Behandlungen unter den Begriff ‚ärztliche Heilbehandlungen‘ oder ‚Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin‘ fallen, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Die Leistungen müssten dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist. Dabei können die gesundheitlichen Probleme, die zu einer steuerfreien Heilbehandlung führen, auch „psychologischer Art“ sein.
Sodann – und das ist das eigentlich Interessante an diesem Urteil – entschied der BFH, dass es entgegen der Auffassung der Vorinstanz möglich und ausreichend sei, die Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf die einzelnen Behandlungsfälle auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen durchzuführen. Dies folge insbesondere daraus, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient besonders schützenswert sei. Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bei der Aufklärung des Steuersachverhaltes (§ 90 Abgabenordnung (AO)) sei eingeschränkt durch die in der AO geregelten Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte. So sehe § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AO für Ärzte ein Auskunftsverweigerungsrecht vor. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Schutz des Vertrauensverhältnisses stehe dem Verlangen auf Benennung von Name und Anschrift der Patienten entgegen. Vielmehr müsse die Zurverfügungstellung anonymisierter Patientendaten zwecks Begutachtung des Einzelfalles in Hinblick auf die medizinische Indikation ausreichen.

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